Der gesunde Rücken

Nicht für jeden Golfer eine Selbstverständlichkeit. Rückenschmerzen sind ein Volksleiden, und sie melden sich auf der Runde mehrmals im Jahr. „Meist stecken einseitige oder schwere körperliche Belastungen dahinter“, sagt der 43-jährige Dr. Charilaos Christopoulos, Chefarzt für Wirbelsäulenchirurgie im Orthoparc in Köln. Der Deutsch-Grieche, geboren und aufgewachsen in Athen, kam mit 18 Jahren nach Berlin. Der 1,90 Meter große Neurochirurg zählt mit über 15 Jahren Berufspraxis und mehreren Tausend erfolgreich durchgeführten Opera-tio-nen zum Kreis der international anerkannten Experten. Wir fragten ihn: Können psychische Überforderungen und Stress Gründe für Rückenbeschwerden sein? Verstärkt zu wenig Bewegung das Problem? Haben Sie Tipps für Golfer, wie ihr Rücken gesund wird und bleibt?


Golfmedico: Herr Dr. Christopoulos, es gibt Golfer, die relativ sportlich sind und auch viel für ihren Rücken tun. Dennoch haben sie Schmerzen. Was machen sie falsch?
Dr. Charilaos Christopoulos: Golf ist grundsätzlich eine Belastung der Facettengelenke. (Anm. d. Red.: Die Facettengelenke der Wirbelsäule steuern ihre Beweglichkeit.) Die plötzliche Drehbewegung ist unphysiologisch, denn die Facettengelenke werden beim vollen Schwung unvermittelt von null auf hundert starken Kräften ausgesetzt. Man muss stabile Muskeln und Bänder haben, damit diese plötzliche Bewegung gut aufgefangen werden kann und keine Schmerzen auftreten.

Man hört oft, dass es hilft, sich immer wieder zu bewegen und auch mal zu lächeln, um Entspannung in den Körper zu bringen. Was halten Sie von sanftem Training wie Yoga und Pilates?
Das ist sicherlich nicht schlecht, aber noch wichtiger für das innere Wohlbefinden, weniger für die Muskulatur. Wenn man es ausschließlich als Rücken-Training sieht, reichen eine Matte aus und jeden Tag 15 bis 20 Minuten Übungen. Für diese Bauch- und Rückenübungen braucht man natürlich keine Geräte.

Der Smartphone-Nacken plagt neuerdings viele Menschen, weil sie ständig aufs Handy herunterschauen. Ist das Unsinn oder passiert das tatsächlich?

(Lacht) Prinzipiell kann das schon den Rücken belasten. Auch ich habe einen Beruf, wo ich bei Operationen schief stehe. Deshalb ist es wichtig, in der Freizeit körperliche Ausgleichssportarten wie Radfahren und Schwimmen zu betreiben – auch um den Kreislauf in Schwung zu halten.

Wie kann man die Rückenmuskulatur stärken?
Indem man gymnastische Übungen macht, bei denen der Rückenstrecker gestärkt wird. Fast genauso wichtig ist das Trainieren der geraden und schrägen Bauchmuskeln. So entsteht ein Muskelkorsett, was die Wirbelsäule im Alltag unterstützt.

Die Wirbelsäule wird von 23 Bandscheiben gepuffert. Anatomisch gesehen ist sie geradezu genial mit ihrem eigenen Stoßdämpfersystem, den Bandscheiben. Doch wenn Muskeln und Bänder zu schwach sind, kann es zum Bandscheibenvorfall kommen. Welches ist dann die richtige Therapie?
(Dr. Christopoulos steht auf und holt eine Folie vom Regal, auf der eine Röntgenaufnahme mit zwei Wirbeln und einer Bandscheibe zu sehen ist.) Das Ganze zeigt eine Diskografie, also eine Kontrastmitteldarstellung der Bandscheibe. Das rechte Bild entstand im Liegen, das linke, nachdem der Patient aufgestanden und ein wenig gelaufen ist. Beachten Sie, wie die Grundplatte des unteren Wirbels das Gewicht aufnimmt. Die Hauptstoßdämpfer der (gesunden) Wirbelsäule sind also die Wirbelkörper und nicht, wie gern behauptet wird, die Bandscheiben.

Viele Patienten fürchten die Operation. Wie sehen Sie das?
Mehr als 90 Prozent der Patienten, die einen Bandscheibenvorfall haben, müssen nicht operiert werden. Den Verschleiß kann man eher nicht bremsen. Es liegt auch schon ein wenig an den Genen. Die Diagnostik erfolgt vorwiegend mittels Magnetresonanztomografie (MRT). ▶
Zudem können Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule (LWS) und gegebenenfalls auch Funktionsaufnahmen gemacht werden. Ich möchte jetzt nicht auf die Einzelheiten der konservativen Behandlung eingehen, weil es auch oft davon abhängt, wie weit der Bandscheibenvorfall fortgeschritten ist und was genau der Patient klinisch bietet. Es gibt bestimmte Regeln. So sagt man, dass die Operation die letzte aller Möglichkeiten sein sollte, aber wenn der Patient mit starken immobilisierenden Schmerzen kommt oder sogar Lähmungserscheinungen zeigt, dann muss man handeln.

Wann ist eine Operation nötig?
Wenn keine Besserungen nach den konservativen Therapien eintreten oder bei Lähmungserscheinungen, muskulären Defiziten oder Gefühlsstörungen der Haut. Eher selten sind Störungen bei der Blasen- und Mastdarmentleerung, dann allerdings handelt es sich um einen Notfall.

Was machen Sie, um die Patienten nach der Operation zu motivieren?
Ich muss die meisten eher bremsen, damit sie die neu gewonnene Beweglichkeit nicht überreizen. Wir sind im Orthoparc ein gutes Team und helfen den Patienten, so schnell wie möglich wieder auf die Beine zu kommen. Es geht hier grundsätzlich nicht um eine einzelne Sache – eine tolle Operation, und damit klappt alles –, sondern es sind Faktoren, die ineinandergreifen, und dazu gehören hauptsächlich die insgesamt circa 100 Menschen, die im Haus arbeiten. Der Operateur ist nur ein Faktor dabei, es gehören der Physiotherapeut, die freundliche Krankenschwester, ausgewogene Küche und noch vieles andere dazu. Es muss alles zusammenpassen.

Und wenn der Patient Schmerzen hat ...
… dann sagen wir ihm, wie wir die Schmerztherapie steuern. Jetzt könnten Sie einwenden: Woher wollen Sie denn wissen, welche Schmerzen er hat? Das ist ganz einfach: Wir haben eine Analogskala, die geht von null bis zehn, null ist kein Schmerz, zehn ist maximaler Schmerz. Der Patient sagt uns, wo auf der Skala sein Schmerz einzuordnen ist, da macht er ein Kreuzchen. Wir sorgen nun dafür, dass dieser Wert immer unter drei ist.

Was kann man sich unter der Therapie „immer unter drei“ genau vorstellen?
Wenn ich Ihnen einen engen Verband anlegen würde, dann hätten Sie ein Gefühl wie drei. So läuft die Kommunikation zwischen uns beiden: Sie sagen mir, ob Sie jetzt mehr Schmerzen haben, und ich gebe Ihnen ein Schmerzmittel. So können wir das steuern. Es wird auch ein Schmerztagebuch geführt, damit wir nachvollziehen können, ob wir dem Patienten helfen konnten. Wir sind ein schmerzzertifiziertes Krankenhaus: Vier speziell ausgebildete Krankenschwestern führen die Schmerztherapie durch und dokumentieren dabei jeden Schritt.

Welches sind eigentlich typische Golferverletzungen?
Ich könnte jetzt keine Verletzung nennen. Die Patienten, die ich behandle, haben meist Verschleißerscheinungen, die sich durch das Golfen bemerkbar machen. Golf ist im Grunde ein gesunder Sport, man muss es nur richtig machen.

Herr Doktor, vielen Dank
für das Gespräch.

Zahlen und Fakten

Rund 100.000 Operationen werden in Deutschland wegen Bandscheibenvorfällen durchgeführt.
Die Kosten der Rückenschmerzbe-handlung werden jährlich auf rund 4,5 Milliarden Euro geschätzt.
30 Prozent aller Krankschreibungen haben mit dem Rücken zu tun. 53.000 Frühberentungen wegen Wirbelsäulenleiden gibt es jährlich in Deutschland. Die gesamtgesellschaftlichen Kosten betragen etwa 15 Milliarden Euro im Jahr.